ADHS & Planen: Warum wir uns ständig übernehmen (und wie es leichter geht)
Okay. Steile These: Bei vielen von uns ist nicht das Planen das Problem. Planen können wir super! Das eigentliche Problem ist, dass wir uns schlicht zu viel aufs Mal aufhalsen. Wir setzen uns selbst massiv unter Druck und vergleichen uns mit zig verschiedenen, viel zu hohen Standards. Aber warum ist das so – und was können wir tun?
3 häufige Gründe, weshalb Planen für ADHS-Brains schwierig sein kann und was wir tun können
Viele Fachpersonen haben nach wie vor das stereotype Bild von Autismus im Kopf. Der „klassische Fall“ – kleiner Junge, klar sichtbarer Leidensdruck, vielleicht mit intellektuellen Beeinträchtigungen.
Doch spätestens seit DSM-5 (2013) und ICD-11 ist klar: Viele autistische Erwachsene kompensieren ihre Herausforderungen über Jahre oder Jahrzehnte, maskieren – oft so lange, bis sich die Lebensumstände massiv verändern: Ob Studiumsbeginn, Kinder, Jobwechsel, Verluste, hormonelle Umstellungen oder etwas anderes, einschneidendes.
Um es nochmals klar zu sagen: Autismus hat keinen bestimmten Look. Nur das stereotype Bild in den Köpfen einiger Fachpersonen.
1. Zeitblindheit - oder eine andere Wahrnehmung von Zeit
Wir haben oft kein gutes Gefühl dafür, wie lange Dinge dauern. Das kann in alle Richtungen gehen: Entweder du hast immer Panik, dass die Zeit nicht reicht für etwas, oder du planst für alles zu wenig Zeit ein. Du bist mal viel zu früh, oder auch immer zu spät dran. Oder auch alles aufs Mal. Das hat einen Einfluss auf unsere Planung
Ich zum Beispiel sage: „Ah, ich dreh jetzt ein Video.“ Klingt nach einer halben Stunde. In Wahrheit sind es zweieinhalb Stunden – Kamera aufstellen, Teleprompter vorbereiten, Licht einstellen, aufnehmen (meist mehrfach)… ihr kennt das.
Was können wir tun?
Ein guter Trick, wenn auch manchmal schwierig zum Durchziehen: Bei wiederholenden Aufgaben die Zeit stoppen, die man tatsächlich braucht, und zwar inklusive allfälliger vorheriger Prokrastination und Luftlöcher-Starren. Denn das gehört oft einfach dazu. Ich halte das bei mir auf Xtiles fest, einem digitalen Bullet-Journal und Planer.
Grundsätzlich gilt: Bei allem mal noch die Hälfte der Zeit drauf und auch an Pausen und Übergangszeiten denken. Denn viele von uns, vor allem die AuDHS-Brains, können nicht einfach so zwischen Tasks wechseln.
2. Alles ist gleich wichtig
Für unsere Brains sind alle Aufgaben gleich wichtig. Dieser Vorfilter, der sortiert, was jetzt gerade Priorität hat, fehlt einfach. Also: Alles wichtig, wichtig, wichtig.
Und dann springt auch noch unser interessensbasiertes Nervensystem rein: Wir machen, was uns emotional reinzieht – oder was andere dringend von uns wollen. Nicht unbedingt das, was wirklich gerade dringend und relevant ist.
Was können wir tun? Es gibt zwei Dinge, die ich persönlich total wichtig finde: Erstens zu versuchen, das Leben und das berufliche Umfeld nach den eigenen Möglichkeiten so zu gestalten, dass vieles interessant ist für unser Nervensystem. Was das ist, ist natürlich individuell verschieden.
Zweitens, und das werden nun einige nicht gerne lesen: Wir können lernen, besser zu priorisieren. Einerseits, indem wir das mit jemandem machen, der:die einen Aussenblick hat, andererseits, indem wir uns immer wieder die Fragen stellen: Was brennt gerade und hätte schwerwiegende Konsequenzen? Oder auch: Was bringt mich gerade am allermeisten weiter? Oder im Business-Kontext: Was bringt mir kurz- oder mittelfristige Einnahmen? Dann gilt es auch immer das zu priorisieren, was uns erfüllt und mittel- bis langfristig im Leben und beruflichen Kontext weiterbringt. Aber das kann ein wenig flexibler eingeplant werden. Am besten immer gleich nach was brennendem, weil das motiviert!
Wenn immer nur methaphorisch Brände gelöscht werden müssen und keine Zeit für was anderes bleibt: Das ist ein Zeichen, dass du Hilfe brauchst – sei es in der Planung oder bei der Umsetzung. Niemand muss das alleine schaffen.
Dir fehlt manchmal der Fokus fürs Planen?
Hier kannst du meine persönliche Fokus-Checkliste herunterladen
3. Die ADHS-Idealzustand-Falle: Computer says no!
Viele von uns planen für ihren Idealzustand: Fit, ausgeschlafen, in Balance, mit voller Energie. ADHS-Symptomatik total im Griff. Aber sind wir wirklich jeden Tag so? Nope. Ich jedenfalls nicht.
Unsere Kapazität kann enorm schwanken. Und wenn wir immer nur für „Bestform“ planen, brennen wir notgedrungen aus.
Was können wir tun?
Es gibt nur eins: Raum für Schwankungen lassen und wenn möglich einbauen. Was für mich und viele andere gut funktioniert: EinMinimum definieren: Was musst du wirklich tun, damit dein Tag oder dein Business, deine Projekte weiterlaufen? Alles andere ist Zusatz. Gibt es bei dir Zeiten (z.B. zyklusbedingt), in denen bei dir regelmässig gar nichts geht?Dann sind das bestimmt mal “Minimum-Zeiten”.
Planen mit ADHS und AuDHS: Druck rausnehmen
Ganz ehrlich, perfekt wird es vermutlich nie sein. Aber besser, als wenn wir es gar nicht erst versuchen (das sehe ich nämlich bei vielen meiner Coachees).
Wir müssen unseren Stil finden, und auch unterschiedliche Methoden, damit wir auch schön immer wieder abwechseln können, wenn das eine nicht mehr funktioniert. Hier also zusammengefasst, was wir tun können
Ganz wichtig – ich bete es immer wieder herunter: Unser Wert hängt nicht von Produktivität ab. Nicht davon, wie viel wir schaffen, wie regelmässig wir liefern oder ob wir immer „positiv“ drauf sind.
Es wird harte Zeiten geben, in denen wenig geht. Und das ist okay. Sie gehen vorbei, wenn wir uns Raum für Erholung lassen.
Fazit
Planen mit ADHS oder AuDHS ist kein Spaziergang. Aber es ist auch nicht unmöglich. Es braucht schlicht andere Strategien: mehr Flexibilität, weniger Druck und oft auch Unterstützung durch Tools, Community oder Menschen um uns herum.
Übrigens: nebst Content-Creator bin ich Karriere-Coach für bunte Brains und begleite Menschen zu mehr Erfüllung in Job & Selbständigkeit. Interessiert? dann kontaktiere mich gerne jederzeit oder buche ein kostenloses Gespräch mit mir, in welchem wir schauen, wo du jetzt stehst und wo es hingehen soll. Ich freue mich!